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Band 1 (1992) Heft 1 "Miniatur"

Das Wort Miniatur, darauf weist Jürgen Trabant im vorliegenden Band hin, entstammt nicht etwa dem lateinischen Wort minimus, sondern vielmehr der Metall-Legierung minium – Mennige oder auch Zinnober. Mit der minium genannten roten Farbe wurden in mittelalterlichen Handschriften Überschriften und Initialen ausgeschmückt (bevor man zu einer vielfarbigen Darstellung überging). Mit dem Ende der Skriptorien wurde aus der inzwischen so genannten miniatura eine Malkunst der kleinen Formate, und die nun gegebene volksetymologische Nähe zum Kleinen, genauer: zum Zarten, Niedlichen, Graziösen (mignon) ließ die Legierung schließlich ganz andere symbolische Verbindungen eingehen.

Die Miniatur wird mit diesem Band im ganzen Spektrum ihrer mimetischen Beziehung zu einem 'Original' sichtbar. Sie bewegt sich damit stets im Spannungsfeld von Imaginärem und Wirklichem, ohne dass sie sich auf eine dieser Seiten festlegen ließe. Miniaturen begleiten uns als veritable Kunstwerke (Netsuke), aber auch als beschauliche Weltflucht und verharmloste Welt im Kleinen (Idyllen), als manifeste (Euro-Disney) oder virtuelle Hyperrealität (auf den Bildschirmen). Gerade noch sagt man ihr nach, dass sie sich in der Miniatur der Miniatur, den Mikroprozessoren mit ihren Nanostrukturen jeder ’Lebensgröße’ entziehe – schon lebt sie im Fraktal wieder auf, im Winzigen, das das Ganze enthält; schließlich im Denken des Kleinsten – als Paragranum.

Herausgegeben von Christoph Wulf

AUTOREN: Beiträge

CLAUS-DIETER RATH: Das Theater mit dem Kleinen
PIETRO BELLASI : Lilliput und Brobdingnag. Metaphern des miniaturisierenden und megalisierenden Imaginären
ALEXANDER SCHULLER: Die wilde Stille. Zur Ästhetik der Netsuke
ALEXANDER DEMANDT: Die Welt als Uhr
JÜRGEN TRABANT: Die Wahrheit der Miniatur: Zinnober (HgS)
HANS-DIETER BAHR: Eine geringfügige Schrift
DIETMAR KAMPER: Idol und Idylle. Acht Miniaturen über Macht und Ohnmacht der Phantasie
CHRISTOPH WULF: Euro-Disney
DIETER LENZEN: Nachbildung des künftigen Vorbildes: Modelleisenbahnen
BRUNHILDE WEHINGER: Intellektuelle Biographien en miniature
KLAUS PETER MÜLLER: Über die kleinen Bruchstücke des Alfred Polgar
YVONNE EHRENSPECK: Mikrologie, Mythos und Melusine
MARIE-ANNE BERR: Zeichen
JEAN BAUDRILLARD: Das System der Objekte
BERNHARD VIEF: Die Bits als Elementarzeichen. Vereinfachung, die im Zweifachen endet
FRIEDRICH KITTLER: : Protected Mode
REINHARD BÖRNER: Fraktale – ein unendlicher Miniaturkosmos

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