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Band 2 (1993) Heft 1 "Das Ohr als Erkenntnisorgan"

Seit Platons Höhlengleichnis folgt das Erkennen Modellen, die sich einer visuellen Metaphorik verdanken. Die europäische Neuzeit, seh-technologisch gerüstet durch die Technik der Zentralperspektive einerseits und die Trennung von betrachtendem Geist und betrachteter Welt andererseits, verstärkt die repräsentationalistische Prädominanz des Auges als einziger Instanz der Rationalität, indem sie nach dem Modell des „Tableaus“ (Foucault) die Welt mit Taxinomien und Systemen der Mathesis überzieht. Auch Jahrhunderte nach dieser Zeit versteht man unter Erkenntnis überwiegend die Fähigkeit zur identifizierenden Erfassung und ,Abbildung’ von Gegenständen und Sachverhalten; selbst der Niedergang realistischer Erkenntnistheorien konnte dieser Festschreibung nichts anhaben – die Vorherrschaft des visuellen Erkenntnismodells blieb; lieber gab man das Gesehene auf und verstand unter Erkenntnis das bloße Sehen selbst, bzw. das Sehen dieses Sehens („Konstruktion“).
Das Sehen trennt, das Hören verbindet. Es hätte sicher einschneidende Folgen für die abendländische Kultur gehabt, hätte das Modell des „Hörens auf die Welt“ als erkenntnistheoretische Grundhaltung Erfolg gehabt. Das Gehörte nämlich ist ein Lebendiges, mit einer Stimme, einem Inneren, einer Seele. Je auf ihre Weise verschaffen die Beiträge diese Bandes dieser Erkenntnis Gehör.

Herausgegeben von Christoph Wulf,
Dietmar Kamper und Jürgen Trabant

AUTOREN: Beiträge

CHRISTOPH WULF: Das mimetische Ohr
KARL-JOSEF PAZZINI : „Wer nicht hören will, muß fühlen“. Einige Diskussionsbeiträge zum Hören in der Psychoanalyse und der Pädagogik
MANFRED MIXNER: Der Aufstand des Ohrs
WOLFGANG KAEMPFER: Die Zeit der Malerei und der Raum der Musik. Zur Frage des Funktionentauschs von Auge und Ohr
DORIS SCHUHMACHER-CHILLA: Wenn das Auge das Ohr übermannt. Erleben im künstlerischen Prozeß
MANFRED MOSER: Vier Hörspiele
JÜRGEN TRABANT: Der akroamatische Leibniz: Hören und Konspirieren
MICHAEL WIMMER: Zur Anatomie des „dritten“ Ohrs
WOLFGANG WELSCH: Auf dem Weg zu einer Kultur des Hörens?
THOMAS H. MACHO: Die Kunst der Pause. Eine musikontologische Meditation
DIETMAR KAMPER: Nach dem Schweigen: Hören. Das Ohr als Horizont der Bestimmung
KLAUS MOLLENHAUER: Ich höre. Höre ich mich? Versuch einer musik-ästhetischen Selbstreflexion
MAX-PETER BAUMANN: Vom Hören, was man weiß und vom Wissen, das man hört
MARIE-ANNE LESCOURRET: Wenn das Auge zuhört. musica impura 3
RICHARD SHUSTERMAN: Form and Funk. Die ästhetische Herausforderung durch die populäre Kultur

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