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Band 4 (1995) Heft 2 "Mimesis – Poiesis – Autopoiesis"
Der Titel dieses Bandes zielt auf zwei sehr alte philosophie- und kunstgeschichtliche Begriffe
ab, die zwei unterschiedliche Arten, Wirklichkeit zu erschaffen, ansprechen. Seit Platon, und
besonders seit Aristoteles, beziehen sich diese auf die Erschaffung (Poiesis) bzw. Wieder-Erschaffung
(Mimesis) von Wirklichkeit. Auch wenn diese „Weisen der Welterzeugung“ (N.
Goodman) oft als konträr aufgefasst werden, stimmen sie in einem wesentlichen Punkt überein:
in der Betonung des konstruktiven Aspekts, die Produziertheit sowohl realer als auch fiktionaler
Welten.
Welten, seien es wissenschaftliche, ästhetische, spielerische, religiöse oder andere, erschließen
sich durch die Art, wie sie konstruiert werden. Hierfür sind drei Konstruktionsmodi
grundlegend: erstens Autopoiesis, als die selbstreferenzielle, autonome Welterzeugung von Systemen,
zweitens mimetische Prozesse, als Welt erzeugende soziale Bezugnahme auf die Welten
anderer, und drittens narrative Prozesse i.S.v. „récit“, in denen die zeitlichen und mythologischen
Dimensionen gemeinsamer Erzählungen in den Vordergrund treten. Bei allen Unterschieden
zwischen diesen Modellen und ihren theoretischen Konzeptualisierungen besteht
doch eine fundamentale Gemeinsamkeit: sie betrachten menschliches Handeln nicht als Befolgung
von Regeln, sondern vielmehr als Produktion von Regeln im sozialen Vollzug. Dies
impliziert eine grundlegende Rationalitätskritik, ohne indes die Geltungsansprüche der Vernunft
an das Irrationale abzutreten.
Die leitende Idee dieses Bandes ist eine Konfrontation dieser drei Weisen der Welterzeugung,
welche die gemeinsamen Berührungspunkte und Unterschiede, Reichweiten und Beschränkungen
der einzelnen Ansätze sichtbar macht. (aus d. Vorwort d. Hg.)
Herausgegeben von Gunter Gebauer und Christoph Wulf
AUTOREN: Beiträge
GUNTER GEBAUER/CHRISTOPH WULF: Mimesis – Poiesis – Autopoiesis
GUNTER GEBAUER/CHRISTOPH WULF: Social Mimesis
HANS-DIETER BAHR: Stil und Monument
MICHAEL NEHRLICH: Der Krake. Zum Ende der neoaristotelischen imitatio bei Cervantes
KLAUS VOGEL: Peace and Petrol. On some curious Correspondences between Hölderlin’s
Friedensfeier and Pasolini’s Petrolio
STEPHAN STING: The Reading-Author as Auto-Poet
MARTINA LEEKER: Medien, Mimesis und Identität. Bemerkungen über einen geglückten
Umgang mit Neuen Technologien
RENÉ GIRARD: Mythology, Violence, Christianity
MARK R. ANSPACH: The Making of a Meta-God. Sacrifice and Self-Transcendence in Vedic
Mythology
HINDERK M. EMRICH: Physiognomy of the Psychological. Toward a Theory of „Mimesis“
STEFANO COCHETTI : The Dogon Sacrifice as a Literal Metaphor
EUGENE WEBB: Mimesis, Evolution, and Differentiation of Consciousness
WOLFGANG PALAVER: Foundational Violence and Hannah Ahrendt’s Political Philosophy
PAUL DUMOUCHEL: Rationality and the Self-Organization of Preferences
JEAN-PIERRE DUPUY: Mimesis and Social Autopoiesis. A Girardian Reading of Hayek
ROBERT HAMERTON-KELLY: Popular Sovereignty and the Sacred. A Mimetic Reading of
Rousseaus’s Doctrine of the General Will
ULRICH WEISS : Modern Theories of Political Contract. A Poietic Paradigm between Mimesis
and Autopoiesis
JOHN A. MCCARTHY: Strategien der Schöpfung. Paradigmenwechsel der Kreativität in
Natur und Kunst
MICHAEL GÖHLICH: Autopoiesis, Structural Coupling, and Pedagogy
PETER M. HEJL: Autopoiesis or Co-Evolution? Reconceptualizing the Relation between
Individuals and Societies
SIEGFRIED J. SCHMIDT: Cognition, Communication and the Myth of Autopoiesis
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